In Zeiten von Powertrails, Eventschwemmen, Filmdosen- und Petlingflut an Leitplanken, immer wieder taucht in Gesprächen unter Geocachern die Floskel „Geocaching wie zu den Anfängen“ auf. Gerne wird das gerade in kritischen Diskussionen eingesetzt, in denen „Früher war alles besser“ gezeigt werden soll. Aber war denn früher alles besser?
Ich hab mir mal die ersten 100 Caches rausgesucht, jedenfalls so, wie sie die Geocaching.com Datenbank verzeichnet hat. Leider war Geocaching nicht irgendwann „da“ und dementsprechend lässt sich die Reihenfolge der ersten Caches teilweise nicht so stringent nachvollziehen wie mit den Geocaches, die heutzutage veröffentlicht werden.
[Hier beginnt eine geschichtliche Abschweifung 😉 ]
Vielleicht erst einmal ein paar Worte zur Geschichte. Vielen dürfte bekannt sein, dass am 2. Mai 2000 die künstliche Verschlechterung des GPS Signals für den zivilen Bereich abgeschaltet wurde. Einen Tag später schlug Dave Ulmer in einem, nennen wir es mal „Forum“ vor, die Möglichkeit des GPS zu nutzen und etwas zu verstecken, das Andere suchen sollten. Er zog also in einen Wald nahe Portland, Oregon und vergrub einen Eimer mit Logbuch, Kram, Geld… drin. Er postete eine Nachricht in das „Forum“ und noch am selben Tag fand jemand das Versteck. Nun traten verschiedene Akteure auf den Plan die mit technischen Mitteln, Datenbankaufbau, Webseitenerstellung, Mailinglisteneinreichung usw usf. dafür sorgten, dass das junge Pflänzchen Geocaching wachsen (und gedeihen?) konnte. Im September erklärte Jeremy Irish dann, geocaching.com registriert und erstellt zu haben und zentral die Daten zu verwalten. Wer genaueres zu der ganzen Geschichte erfahren will, kann hier mal bei diesem interessanten Artikel vorbeischauen.
Das Problem war nun aber, dass der „Cachewildwuchs“ seit Mai 2000 irgendwie verarbeitet werden musste. Somit war es schwierig, jetzt einfach bei GC0001 anzufangen. Und das ist auch einer der Hauptgründe, warum der als offiziell erster Cache angesehene „The Original Stash“ mit dem GC Code GCF vor zum Beispiel GCB gelistet ist.
Die nächste Schwierigkeit war, da irgendwie ein System hineinzubringen, es gab anfangs keine „publishs“, wie wir sie heute kennen. Heute erstelle ich ein Listing und gebe als Owner in diesem an, wann ich den Cache dort platziert habe. Das reiche ich ein und der Revierwer schaltet es irgendwann frei. Somit könnte man jetzt sagen man hat ein „Lege-“ und ein „Publishdatum“. Bei den ersten Caches gab es kein „Publishdatum“, weil es keinen Reviewprozess (bzw keine Reviewer) gab, wie wir ihn/sie heute kennen.
Ich kann aus heutiger Sicht auch schwer/schlecht nachvollziehen, inwieweit die Cachedaten (D/T-Wertung, Cachegrösse…) bei den ersten Caches schon vorhanden bzw wie Jeremys sie in seine erste Auflistung im September 2000 aufgenommen hat. Dank der WaybackMachine konnte ich allerdings Screenshots dieser sehr alten Cachelistings (November 2000) machen:
Es scheint also schon die Wertungen Difficult und Terrain gegeben zu haben, aber der Satz dahinter sieht individuell vom Owner geschrieben aus.
(Im übrigen hab ich für das Beitragsbild eines der ganz alten Groundspeak Logos genommen. Hier nochmal in den Artikel eingebettet. Ziemlich bunt.)
Und wo ich gerade bei altem Kram bin, eine letzte Abschweifung sei mir noch gestattet, hier ein Screenshot zu einer der ersten „Anleitungen zum Finden eines Geocaches“:
So, aber nun zum eigentlichen Thema zurück. Ich habe mir also die ersten 100 Caches rausgesucht und sie tabellarisch erfasst (vielen Dank an dieser Stelle an Avenall!)
Wer möchte kann sich die Datei hier als PDF oder als XLS Downloaden.
Ein wenig Interpretation dazu. Es gibt unter diesen 100 Geocaches 85 Tradis, 3 Multicaches, 4 Mystis, 7 Virtuelle (mindestens einer davon als Tradi gelegt und später geändert) und 1 Letterbox Hybrid.
Aktuell sind weltweit 3111024 Geocaches aktiv, davon 2441125 Tradis, 159296 Multis, 424375 Mystis und 86228 Andere.
Es sind also anteilig weniger Tradis geworden. Die Mystis bzw „Other“ haben stark zugelegt, wobei es dort in der Praxis natürlich auch viele Tradis mit vorgeschaltetem Rätsel gibt.
Unsortiert nach Cachetyp haben 46 der ersten 100 Caches eine T Wertung von 1, wenn ich die 14 T 1,5er noch dazuzähle also 60 im ganz unteren Terrainbereich. Entspricht 60%. Aktuell sind von den 3111024 aktiven Geocaches weltweit 1503326 Caches in diesem Bereich. Entspricht ~48%.
Gerne würde ich noch etwas zu den Cachegrössen schreiben und mit meinen laienhaften pseudoanalytischen Mitteln beleuchten. Aber das würde nicht viel bringen. Es sind zwar 3 Small, 31 Regular, 10 Large, 7 other und 5 Virtuelle unter den ersten 100, aber die überwältigende Anzahl von 51 ist „not chosen“. Auch wäre mir aktuell, ohne Spielerei mit einer grossen, einer sehr, sehr grossen GSAK Datenbank, kein Weg bekannt, eine prozentuale Auflistung der Cachegrössen aller aktuell aktiven Geocaches zu erstellen.
Nichts desto trotz habe ich mal die Cachelistings der ersten 100 (manuell) durchsucht und wenn zu finden, präsentiere ich hier mal Bilder aus den Cachelistings, die die Dose (wenn möglich mit Versteckort) zeigen. VORSICHT, SPOILER! Manche Dosen davon sind nämlich noch aktiv. Benennung: Nummer in den Top100 – GCCode
Fazit:
Eigentlich bin ich mit einer festen Meinung an das Schreiben dieses Artikels gegangen. Für mich war, nach Hörensagen, die Qualität der ersten Dosen im Gros genauso schlecht, wie die, die bei vielen Geocaches heute bedauert wird. Der erste Cache, verbuddelter Eimer an einer Strasse. Klang jetzt ehrlich gesagt nicht so spannend. Wenn man sich aber die Orte auf der Karte oder die Bilder, die bei vielen der Caches in den Listings sind, anschaut, erkennt man schnell, das waren zum Grossteil Dosen, bei denen der Owner eine Vision hatte. Er wollte etwas zeigen, etwas bieten jenseits von Statistik und von Menschen Bebauten, gesicherten Raum. Er führt mit seiner Dose zu einem besonderen Ort. Und es gab ihn damals wirklich noch, den Weg.
Es gibt Geocacher, die schwören darauf, das der Ort die Dose macht. Stichwort „Location, Location, Location“. Solch Hardcoreverfechter war ich nie. Für mich sind auch Dosen schön und stechen aus der breiten Masse hervor, die thematisch gut umgesetzt, passend zur Location oder einfach liebevoll gebaut/gestaltet sind. Wenn ein Elektroschrank ausgebaut und gestaltet wurde und zum Beispiel noch Regionalbezug hat, dann kann der gerne auch an einer Autobahnunterführungspi**ecke stehen und hat meiner Meinung nach Daseinsberechtigung.
Vielleicht liegt es in der Natur der Sache, das gerade am Start eines Hobbies noch nicht alle Nuancen bzw Spielarten ausgereizt sind und der Statistikcharakter, der viele Geocacher heute antreibt, gerade eben bei den ersten 100 Dosen aussen vor geblieben ist. Wer weiss, wie sich Geocaching entwickelt hätte, wenn Dave Ulmer die erste Dose nicht im Wald (ja, an einem Weg, aber immerhin im Wald!), sondern an einer Leitplanke, oder für amerikanische Verhältnisse einen LPC (Lamp Post Cache – Cache in der Schürze am Fuss eines Laternenpfahls) angebracht hätte? Vielleicht hätten wir dann heute ein globales Hobby, das aber schwerpunktmässig urban stattfindet und wir würden es als negativ ansehen, raus in die Natur, den Wald, den Dreck zu müssen, für eine Plastedose?
Ein paar Endbemerkungen noch.
Ja, meine „Auswertung der Daten“ entspricht keinem wissenschaftlichen Standart.
Deutschland, heute unangefochtener Platz 2 der weltweiten Geocachernationen, hatte seinen ersten Geocache GC77 erst mit Platz 103 am Start. Hinter den USA, Australien, Belgien, Irland, Dänemark, Kanada, Finnland, Schweden, ja sogar Kenya und Chile hatten früher Dosen liegen.
Dave Ulmer, Begründer des Hobbies, ist in den Top 100 mit 6 versteckten Caches vertreten (und hat es irgendwie geschafft, zumindest eine zeitlang, nicht im offiziellen GC Forum genannt werden zu dürfen).
Auch schon früher gab es viel Ärger in bzw um die Listings: Hier eine Archivierungsnote eines Cacheowners, der sich 2 Jahre nach Start des Spiels nicht mehr mit den ursprünglichen Werten identifizieren konnte und dem, laut eigenen Angaben, ein Cache sogar gestohlen wurde (wenn ich das richtig sehe, wurde sein Cache damals nicht gewartet und ein anderer Geocacher tat das und bekam ihn dann vom HQ adoptiert, womit der ursprüngliche Owner ein Problem hatte. Damals gabs wahrscheinlich noch keine Adoptionsanfragen).
Ein paar der GC Codes kommen mir sehr komisch vor. Beispielhaft will ich mal den hier nennen. Der passt vom GC Code her überhaupt nicht in die Top 100. Ich vermute, er wurde später angelegt und (versehentlich?) gepublished!? Dieser spezielle Cache sieht mir auch sehr nach einem Bilderbunkercache aus, also einem Cachelisting, das nur angelegt wurde, um Bilder online abspeichern zu können. Es gibt 7 Caches mit auffälligen GC Codes in meiner Top 100 Liste.
Vielen Dank für den interessanten Artikeln. Sehr schön bei den Bildern ist zu sehen das früher wohl sehr wenig einen Micro gelegt haben und von Nano noch keiner irgendwo was gehört hat. Ich mach die ganz alten Caches, total gerne. Da wird einem sehr häufig wirklich noch tolle Orte gezeigt.
Früher war alles besser? – Nein, früher war vieles anders.
Da gab es noch nicht diese harten Regeln, da gab es LP´s, oder gibt es die noch?, vom Feinsten. Auch erinnern wir uns noch an die ersten zu lösenden Mysts, vor allem an die, die wir gemeinsam im team gelöst haben.
Aber naja, die Erde dreht sich, die Zeit bleibt nicht stehen und die Haare auf dem Kopf werden auch immer mehr (hust). So hat jede Zeit ihre Erinnerung, ihre Gesetze und Vorschriften. Und Morgen ist ja Heute auch schon wieder Gestern, also die Gute Alte Zeit.
Genießen wir also das was wir haben. Aber so ein Rückblick mit harten Fakten ist ja sehr wissenswert und bringt einen auch wieder in die Wirklichkeit zurück. Ist wie mit uns Anglern, auch so ein Hobby. Was wir früher so alles für Fische gefangen haben! Das ist mit Heute nicht zu vergleichen. Das liegt wohl an unserem Gehirn, das sich gern nur die guten Sachen behält, und das ist auch gut so.
Danke für diese Statistische Aufarbeitung
Wenn man mal schaut, wann der letzte “echte” NC in der Dresdner Gegend heraus kam, dann kann ich wirklich nur sagen: Ja, früher war es besser.